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1,5 KILOTONNEN AM HAKEN – UND DAS SCHWIMMEND

MPV-Heavy-Lifter wie die BCC AMBER sind daruf ausgelegt, sperrige wie schwere Lasten zu transportieren. Heeling-Systeme sorgen für Stabilität.
Foto: WAGO

Heeling-Systeme von BESI aus Bremen halten Schiffe stabil im Wasser

Mobilkräne haben es an Land vergleichsweise einfach, stabil auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben; je nach Last die passenden Ausgleichsgewichte platzieren und in wenigen Minuten die meterlangen Stützen hydraulisch ausfahren. Die Logistikpraxis zeigt jedoch, dass sperrige und vor allem schwere Transportgüter vornehmlich auf dem Wasserweg ihr Ziel erreichen. Damit stellt sich die Frage, wie es sich mit der Stabilität von Kränen an Bord verhält – denn Wasser hat bekanntlich keine Balken. Systeme aus Pumpen, Ventilen und Ballasttanks halten Fracht- und Arbeitsschiffe in Position. Sogenannte „HeelingPumpen“ verhindern das Krängen des Schiffskörpers bei ungleicher Lastverteilung. Für deren Steuerung nutzen die Spezialisten von BESI die PFC200-Controller von WAGO in Kombination mit dem I/O-SYSTEM 750 für Ex- und Nicht-Ex-Bereiche.

„MPV Heavy Lifter“ heißen sie – die Schiffstypen, die schon aus größerer Entfernung durch mindestens zwei große Kräne an Deck eindeutig zu erkennen sind. Konzipiert sind diese „Multi Purpose Vessels“ als multifunktional einsetzbare Schiffe für das Handling sperriger wie schwerer Lasten. Zu ihren Frachten zählen nach Auskunft von Michael Borchers, Geschäftsführer Technik bei BESI, Raketenteile genauso, wie Turbinen oder auch komplette Eisenbahnen. In einem aktuellen Neubauprojekt erreichen die beiden Kräne eines „MPV Heavy Lifters“ zusammen mehr als 1500 Tonnen Tragkraft. Entsprechend anspruchsvoll gestaltet sich der Krängungsausgleich auf solchen Schiffen.

„Das Schiff hat über den ganzen Rumpf verteilt Ausgleichstanks, die von unserem System schnell und präzise mit Ballastwasser gefüllt oder entleert werden“, erklärt Borchers. Nur so könne das Schiff beim Be- und Entladen überhaupt in der Balance bleiben. Das Anheben der Last und das Ausgleichen durch die Pumpen erfolge dabei parallel. Entsprechend könne auch der Ladeprozess nur so schnell sein, wie es den sogenannten Heeling-Pumpen (heeling = Krängung) gelänge, den Gewichtsausgleich durch Ballastwasser herzustellen – mit Blick auf kurze Logistikzeiten sollte das allerdings so schnell wie möglich sein, so Borchers.

Bei allem Anspruch an das Tempo muss das Krängungsausgleichssystem aber vor allem zuverlässig arbeiten. „Fällt plötzlich eine Pumpe aus, kann sich schnell ein ganzes Schiff drehen“, sagt Michael Borchers und meint damit, was der Volksmund als Kentern bezeichnet. „Ist das Heeling-System gestört, kann der Kranfahrer beim Einfädeln schwerer Lasten auf das Deck gar nicht so schnell reagieren, dass er die Ladung noch rechtzeitig senkt.“ Muss die Ladung im Notfall abrupt vom Haken, ist das kaiseitig noch in Ansätzen möglich, weil die Kaianlage das Schiff als Gegenlager hält; das ist jedoch nicht möglich, wenn die Ladung auf der Seeseite hängt, weil sie dann auf das Schiff krachen würde.


Redundanter Industriestandard

Ein Szenario, das erklärt, warum BESI in ihren Anlagen auf hochverfügbare Technik setzt und eigene Systeme mit ausreichender Redundanz ausstattet. Für die Steuerung des sogenannten Flow-Managements nutzen die Bremer die WAGOController PFC200 – und zwar in einem redundanten und räumlich verteilten Funktionsverbund. Unter dem Begriff Flow-Management bündelt BESI das Heeling-System sowie das Messen, Regeln und Überwachen von Tankinhalten. Aufgrund des hohen Treibstoffverbrauchs, den große Arbeitsund Containerschiffe haben, muss während der Fahrt regelmäßig Brennstoff und Ballastwasser umgepumpt werden, damit das Schiff eine stabile und energetisch optimierte Trimmung im Wasser behält. Während die Heeling-Systeme eines Schiffes, das im Hafen liegt, auf Basis von Neigungssensoren automatisch eingreifen, erfolgt der Gewichtsausgleich zwischen Treibstoff- und Ballastwassertanks während der Fahrt manuell. „Keine Automation ist dazu in der Lage, Wellenamplituden zu 100 % auszugleichen“, erklärt Borchers, „weil die sich ständig ändern und nicht vorhersehbar sind.“ Der Automatikbetrieb mit einem elektronischen Krängungsausgleich sei darum während der Fahrt verboten. Kreuzfahrer stabilisieren den Schiffskörper deshalb bei kräftigerem Wellengang auf mechanische Weise; nämlich mit dem Ausfahren von Flossen, die aufgrund ihres Widerstandes für mehr Trägheit sorgen.

Michael Borchers arbeitet als Geschäftsführer Technik bei BESI in Bremen.
Foto: WAGO


»Dass wir uns für beide Bereiche aus einem System bedienen können, das in seiner Funktion und auch Programmierung gleich ist, macht uns das Leben deutlich leichter.«



Ein System auch für Ex-Bereiche
Der Wegfall von Zener-Barrieren ermöglicht einen platzsparenden Schaltschrankaufbau.
Foto: WAGO

Tanks, Rohrleitung, Pumpen, Ventilarmaturen: Die Komponenten des Flow-Managements von BESI durchziehen Fracht- und Arbeitsschiffe vom Bug bis zum Heck wie eine Hauptschlagader. Weil durch diese feingliedrige Verteilung auch Teilsysteme in Bereichen installiert sein können, die unter den ExSchutz fallen, muss BESI zu deren Automatisierung eigensichere Komponenten mit Ex-i-Zulassung einsetzen. „Wie die Bereiche klassifiziert sind, hängt von deren Installationsnähe – beispielsweise zu Treibstofftanks – ab“, erklärt Borchers. WAGO bietet innerhalb des I/O-SYSTEMS 750 eine Variante, die sich rein äußerlich zunächst lediglich durch ihre blaue Farbe von den weißen Standardmodulen unterscheidet. Zwar sind die Ex-i-Module konstruktiv für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen konzipiert, in ihrer Funktionalität unterscheiden sie sich jedoch nicht von den Standardmodulen. Was auch bedeutet, dass es in ihrer Programmierung keine Unterschiede gibt. „Wir programmieren die Steuerungstechnik in Ex- und Nicht-Ex-Bereichen mit der uns bekannten Softwareumgebung, ohne unterschiedliche Systeme erst noch aufwändig miteinander verknüpfen zu müssen“, so Borchers. Die Mitarbeiter von BESI müssen sich auf keine Zweit- oder Drittsysteme einstellen und können durchgängig in einem Rutsch programmieren – und das mit Hilfe der standardisierten Sprachen der IEC 611313 (CODESYS). Für BESI hat diese Durchgängigkeit den Vorteil, dass im Softwareengineering keine Rücksicht darauf genommen werden muss, ob Teile des Heeling-Systems in einem Ex-Bereich verbaut sind oder nicht. „Dass wir uns für beide Bereiche aus einem System bedienen können, das in seiner Funktion und auch Programmierung gleich ist, macht uns das Leben deutlich leichter“, unterstreicht Michael Borchers – auch angesichts der Tatsache, dass die für BESI wichtigen WAGO-Komponenten über die einschlägigen internationalen Zulassungen für den maritimen Einsatz verfügen.


Weg frei für Vernetzung

Mit der Kombination aus WAGOController PFC200 und I/O-SYSTEM 750 installiert BESI eine offene Netzwerkstruktur mit verteilter Intelligenz und dezentralen I/O-Knoten in Schiffen. Diese Architektur macht den Weg frei, um auch andere Systeme zu integrieren. Erste Ansätze dazu gibt es bereits: mit der Anbindung der Lüftungs- und Klimatechnik an die WAGO-Steuerungstechnik, die dann als Datensammler und ETHERNET-Gateway fungiert, der alle Informationen bündelt und per ETHERNET an die Leitebene des Schiffes weitergibt. Auf diese Weise lassen sich die erforderlichen Schaltschränke kleiner projektieren und flexibler einsetzen.

Foto: WAGO


Mehr Platz durch Verzicht auf Zener-Barrieren

Die Durchgängigkeit des I/O-SYSTEMS 750 von WAGO spart überdies Zeit bei der Installation: Weil sich eigensichere Sensoren wie Füllstandsmesser oder Aktoren, wie beispielsweise Armaturenrelais, aus dem Ex-Bereich direkt mit den blauen I/O-Modulen verbinden lassen, werden die sonst erforderlichen Trennschaltverstärker verzichtbar. Die dienen im Ex-Bereich grundsätzlich dazu, die Energie des Stromkreises so zu begrenzen, dass eine Zündung der explosionsfähigen Atmosphäre verhindert wird. Indem BESI auf die Zener-Barrieren verzichten kann, sind bei der Schaltanlageninstallation nicht nur weniger Komponenten zu verkabeln, sondern auch deutlich weniger des so wertvollen Platzes an Bord erforderlich: „Wenn wir in einem Ex-Bereich zum Beispiel 50 Geräte an die I/O-Ebene anzuschließen haben, dann brauche ich schon für die Trennschaltverstärker fast einen eigenen Schrank“, zeigt der technische Geschäftsführer die wenig attraktive Alternative zur WAGO-Lösung auf. Gerade Platz sei jedoch – auch bei einem Neubau – so gut wie nicht vorhanden; zumindest nicht für die technische Ausrüstung. Obwohl der Grad der Automatisierung zunähme, würde dafür ungern Platz freigeräumt, weiß Borchers. Schlussendlich seien Schiffe bis aufs Letzte durchoptimiert, um so viel Fläche wie nur möglich für die Ladung herauszuholen. „Deshalb ist eine schlanke Automation mit hohem Integrationsgrad so wichtig.“

Visualisierung des Heeling-Systems, mit dem sich Schiffe optimal im Wasser trimmen lassen
Foto: WAGO

Text: Jörg Schomacker | WAGO
Fotos: WAGO

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